Einleitung

Am 3. Juli 2018 verabschiedete die Abgeordnetenkammer den Gesetzentwurf zur Annahme des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Istanbul. Es handelt sich dabei um die erste international verbindliche Konvention, die dank ihres integrierten und multidisziplinären Ansatzes sowie ihrer Geschlechterperspektive alle Formen von Gewalt abdeckt, die gegen Frauen und Mädchen begangen werden.

Die Konvention beruht auf dem Gedanken, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt darstellt, insofern sie gegen Frauen ausgeübt wird aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind. Es ist Aufgabe des Staates, der sich bei Nichtbeachtung schuldig macht, diese Gewalt in all ihren Formen wirksam zu bekämpfen, indem er Maßnahmen zur Verhütung, zum Schutz der Opfer und Verfolgung der Täter ergreift, solange geschlechtsspezifische Gewalt in großem Maßstab und vor den Augen der Öffentlichkeit fortbesteht.

Luxemburg fängt nicht bei null an, sondern hat bereits lange vor der Verabschiedung der Istanbul-Konvention durch das Parlament einen wirksamen Rechtsmechanismus für Opfer von Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt, eingerichtet. Darüber hinaus veranstaltet das Ministerium für Gleichstellung und Diversität in regelmäßigen Abständen Informations-, Verhütungs- und Sensibilisierungkampagnen (Medienkampagnen, wissenschaftliche Studien, Konferenzen, Veranstaltungen wie die „White Ribbon Campaign“ und die „Orange Week”) zum Thema Gewalt gegen Frauen, häufig auch in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen. Und schließlich verfügt Luxemburg ebenfalls über ein enges und landesweites Netzwerk an Aufnahmestrukturen und Beratungsstellen, die sich sowohl an Opfer von Gewalt als auch an Täter richten.

Die Umsetzung der Istanbul-Konvention war der Auslöser

  • um unsere Gesetzgebung anzupassen durch das Gesetz vom 20. Juli 2018 zur Annahme des am 11. Mai 2011 in Istanbul unterzeichneten Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, und zur Änderung 1) des Strafgesetzbuches; 2) der Strafprozessordnung; 3) des geänderten Gesetzes vom 8. September 2003 über häusliche Gewalt; 4) des geänderten Gesetzes vom 29. August 2008 über den freien Personenverkehr und die Einwanderung;

  • um Angehörigen bestimmter Berufsgruppen sowie die breite Öffentlichkeit über alle Facetten der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu sensibilisieren;

  • um über das Hilfs- und Unterstützungsnetzwerk zu informieren und seine Zugänglichkeit und Qualität zu verbessern;

  • um alle öffentlichen und nicht-öffentlichen Akteure zusammenzubringen und an der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beteiligen;

  • um das Angebot an Hilfe und Unterstützung für die Opfer zu erweitern.

Obwohl sich die Konvention besonders auf alle Formen der Gewalt gegen Frauen fokussiert, erkennt sie ausdrücklich an, dass auch Männer Opfer von häuslicher Gewalt und anderen Formen von Gewalt sein können. Dementsprechend fordert die Konvention die Staaten auf, die Texte so revidieren, dass sie auch auf männliche Opfer anwendbar sind. Da seine Gesetzgebung im Allgemeinen geschlechtsneutral ist, wendet Luxemburg die Konvention auf beide Geschlechter an.

Die Konvention im Überblick

Prävention

Prävention zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt rettet Leben und verringert menschliches Leid. Regierungen, die durch die Konvention gebunden sind, müssen folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Angehörige bestimmter Berufsgruppen, die in engem Kontakt mit den Opfern stehen, schulen und regelmäßig Sensibilisierungskampagnen durchführen;

  • Unterrichtsmaterial zu Themen wie der Gleichberechtigung der Geschlechter und der gewaltfreie Lösung von Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen bereitstellen;

  • Therapieprogramme für Täter von häuslicher Gewalt und Sexualstraftäter entwickeln;

  • eng mit den NGOs zusammenarbeiten;
  • die Medien und den Privatsektor in die Beseitigung von Geschlechterstereotypen und die Förderung des gegenseitigen Respekts einbeziehen.

Die Verhinderung dieser Gewalt darf aber nicht allein Aufgabe der Staaten sein. Die Konvention fordert vielmehr alle Mitglieder der Gesellschaft auf, ihren Beitrag zur Schaffung eines Europas, das frei von allen Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist, zu leisten. Diese Gewalt ist aufgrund der anhaltenden Frauenfeindlichkeit allgegenwärtig. Ein jeder von uns kann, auf seiner Ebene, Geschlechterstereotypen, gefährliche traditionelle Praktiken und Diskriminierung von Frauen hinterfragen. Erst wenn eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist, kann Gewalt gegen Frauen aus der Welt geschafft werden.

Schutz

Wenn die Präventivmaßnahmen scheitern und es zu Gewaltvorfällen kommt, ist es wichtig, den Opfern und Zeugen Schutz und Beistand zukommen zu lassen. Dazu gehören das Eingreifen und der Schutz der Polizei sowie der spezialisierten Hilfsstrukturen, wie Schutzunterkünfte und Beratungsstellen. Es muss ebenfalls darauf geachtet werden, dass die allgemeinen Sozialdienste die Realität und die Probleme der Opfer dieser Formen von Gewalt verstehen und dass sie ihnen helfen, ihr Leben neu aufzubauen. Hier einige Beispiele von Maßnahmen, die in der Konvention empfohlen werden:

  • Den Zugang zu relevanten Informationen sichern. Nach einer Gewalttat sind die Opfer in der Regel traumatisiert und müssen einfachen Zugang zu klaren und knappen Informationen in einer für sie leicht verständlichen Sprache über die ihnen zur Verfügung stehenden Dienste erhalten.

  • Eine ausreichende Anzahl an leicht zugänglichen Schutzunterkünften einrichten und über das Staatsgebiet verteilen. Die Opfer stammen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten. So müssen Unterkünfte für Frauen aus ländlichen Gebieten oder mit einer Behinderung zum Beispiel genauso zugänglich sein wie für Frauen, die im städtischen Raum leben.

  • Leicht zugängliche Krisenzentren für Fälle von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt einrichten: Diese Zentren bieten sofortige medizinische Beratung, Behandlung von Traumata und rechtsmedizinische Dienste. Sie sind in Europa extrem selten und sollten weiter verbreitet werden.

Wichtig ist auch, daran zu denken, dass es nicht ausreicht, Schutzstrukturen und Hilfsdienste für Opfer einzurichten. Es muss auch sichergestellt werden, dass die Opfer über ihre Rechte informiert werden und dass sie wissen, wo und wie sie Hilfe bekommen können.

Strafverfolgung

Die Konvention definiert die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen sowie häusliche Gewalt und stellt sie unter Strafe. Dies ist einer ihrer vielen Verdienste. Um der Konvention Wirkung zu verleihen, müssen die Vertragsstaaten unter Umständen neue Straftatbestände einführen, darunter: psychische und physische Gewalt, sexuelle Gewalt und Vergewaltigung, Verfolgung, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung. Darüber hinaus müssen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass Kultur, Tradition oder „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für ein solches Verhalten gelten können.

Nach der Einführung dieser neuen Straftatbestände in die nationalen Rechtssysteme gibt es keinen Grund mehr, Gewalttäter nicht zu verfolgen. Im Gegenteil, die Vertragsstaaten werden ein ganzes Paket an Maßnahmen treffen, damit alle Anschuldigungen von Gewalt wirksam untersucht werden. Dementsprechend müssen die Strafverfolgungsbehörden auf Hilferufe reagieren, Beweise sammeln und die Gewaltpotenziale richtig einschätzen, um das Opfer angemessen zu schützen.

Darüber hinaus müssen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass die Rechte der Opfer in allen Phasen des Verfahrens respektiert werden und dass ihnen jede sekundäre Viktimisierung erspart bleibt.

Ineinandergreifende politische Maßnahmen

Die Konvention geht grundsätzlich davon aus, dass keine einzelne Instanz in der Lage ist, allein gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vorzugehen. Um dieser Art von Gewalt wirksam entgegentreten zu können, ist das konzertierte Handeln zahlreicher Akteure unabdingbar. Die Konvention fordert demnach die Vertragsstaaten auf, umfassende und koordinierte politische Maßnahmen zu beschließen, unter Einbeziehung von Regierungsstellen, nichtstaatlichen Organisationen sowie nationalen, regionalen und lokalen Parlamenten und Behörden. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die politischen Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen auf allen Regierungsebenen und von allen zuständigen Instanzen und Institutionen umgesetzt werden. Erreicht werden kann dies zum Beispiel durch das Ausarbeiten eines nationalen Aktionsplans, der jedem Akteur eine spezifische Aufgabe oder Rolle zuweist.

Die Erfahrung von Ländern, die diesen Weg bereits eingeschlagen haben, haben gezeigt, dass man viel bessere Ergebnisse erzielt, wenn die Ordnungskräfte, das Rechtssystem die NGOs, die Kinderschutzbehörden und andere zuständige Partner ihre Kräfte bündeln, um an diesem oder jenem Fall zu arbeiten.

Die Konvention richtet sich nicht nur an Regierungen und nichtstaatliche Organisationen, an nationale Parlamente und lokale Behörden; sie sendet auch eine deutliche Botschaft an die gesamte Gesellschaft. Jeder Mann, jede Frau, jeder Junge, jedes Mädchen, jeder Elternteil, jeder Partner muss lernen, dass Gewalt, in welcher Form auch immer, nicht die richtige Lösung für Schwierigkeiten ist und nicht zu einem friedvollen Leben führt. Ein jeder muss verstehen, dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt nicht länger toleriert werden kann und wird.

Überwachungsmechanismus für die Durchführung der Konvention

Der Überwachungsmechanismus für die Durchführung der Istanbul-Konvention hat als Ziel, die Umsetzung der Konvention durch die Parteien zu bewerten und zu verbessern. Er setzt sich aus zwei unterschiedlichen, aber interagierenden Gremien zusammen:

  • eine Gruppe unabhängiger Experten, die Expertengruppe zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO), die zunächst aus 10 Mitgliedern besteht und nach der 25. Ratifizierung auf 15 Mitglieder erweitert wird. GREVIO hat als Aufgabe, die Umsetzung der Konvention durch die Parteien zu überwachen. GREVIO kann auch gegebenenfalls allgemeine Empfehlungen zu Themen und Konzepten in Verbindung mit der Konvention aussprechen.

  • ein politisches Gremium, der Ausschuss der Vertragsparteien, der sich aus Vertretern der Vertragsparteien der Istanbul-Konvention zusammensetzt. Der Ausschuss der Vertragsparteien greift die Berichte und Schlussfolgerungen von GREVIO auf und spricht Empfehlungen aus, die an die betroffenen Parteien gerichtet werden. Er ist ebenfalls für die Wahl der GREVIO-Mitglieder verantwortlich.

Geschlechterperspektive

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt kann nur bekämpft werden, wenn gleichzeitig auch Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Geschlechter behandelt werden. Frauen können aufgrund ihres Geschlechts Opfer von Gewalt werden. Von verschiedenen Arten von Gewalt, beispielsweise häuslicher Gewalt, sind unverhältnismäßig oft Frauen betroffen.

Aus diesem Grund verbindet die Konvention die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt mit dem Ziel einer rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung. In ihrer Präambel erkennt sie den strukturellen Charakter dieser Gewalt an, die sowohl Ursache als auch Folge der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist und die eine volle Entfaltung der Frauen verhindert. Um diese Ungleichheit zu bekämpfen, fordert die Konvention die Staaten auf, politische Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern zu ergreifen und ihr Empowerment zu fördern. Es geht nicht darum, Frauen wie machtlose Opfer zu behandeln, sondern darum, ihnen die Fähigkeit zu geben, ihr Leben neu aufzubauen.

Die Konvention konzentriert sich zwar auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, dennoch erkennt sie an, dass auch Männer Opfer von häuslicher Gewalt sein können. Die Staaten haben die Wahl, ob sie die Konvention ebenfalls auf Jungen und Männer, die Opfer von Gewalt sind, anwenden oder nicht.

Gewalttätigem Verhalten liegen zahlreiche Formen von Diskriminierung, gefährlicher Praktiken und geschlechterspezifischer Stereotypen zugrunde. Aus diesem Grund befasst sich die Konvention speziell mit Geschlechterstereotypen in den Bereichen Bewusstseinsbildung, Bildung, Medien und Ausbildung von Fachkräften. Sie führt ebenfalls die Verpflichtung ein, die Schutz- und Hilfsmaßnahmen sowie die Ermittlungen und Gerichtsverfahren auf ein Verständnis von geschlechtsspezifischer Gewalt zu stützen. Die Konvention ist demnach nachhaltig von dem Konzept des Geschlechts geprägt.

Migrantinnen, Asylbewerberinnen und geflüchtete Frauen

Migrantinnen, mit oder ohne Papiere, und Asylbewerberinnen sind besonders von sexistischer Gewalt bedroht. Auch wenn die Gründe für das Verlassen ihres Landes und die Aufgabe ihres rechtlichen Status sehr unterschiedlich sind, sind beide Gruppen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden. Aus diesem Grunde untersagt die Konvention, den Migrantinnen- oder Flüchtlingsstatus als Vorwand für eine Diskriminierung bei der Umsetzung ihrer Bestimmungen zu nutzen. Sie fordert ebenfalls die Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung solcher Gewalt und die Unterstützung der Opfer, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen.

Die Konvention widmet den Migrantinnen und Asylbewerberinnen, die geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, ein ganzes Kapitel. Sie sieht eine Reihe von Verpflichtungen vor, die darauf abzielen, einen geschlechtersensiblen Ansatz bei Gewalt gegen Migrantinnen und Asylbewerberinnen zu verfolgen. So führt sie beispielsweise die Möglichkeit ein, Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind und deren Aufenthaltsstatus von demjenigen ihres Ehegatten oder Partners abhängt, eine eigene Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, wenn die Beziehung endet. Diese Maßnahme erlaubt es dem Opfer, die Beziehung zu beenden, ohne seinen Aufenthaltsstatus zu verlieren. Sie führt ebenfalls z. B. die Verpflichtung ein, Opfern mit Migrationshintergrund, die das Land, in das sie wegen einer Zwangsheirat in einem anderen Land eingewandert sind, verlassen haben, aber nicht dorthin zurückgekehrt sind, die Wiedererlangung ihres Aufenthaltsstatus zu ermöglichen.

Darüber hinaus enthält das Kapitel ebenfalls Bestimmungen, welche die Verpflichtung einführen, geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen als eine Form der Verfolgung im Sinne des Abkommens von 1951 über Flüchtlinge anzuerkennen und beinhaltet die Verpflichtung, im Verfahren zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus eine geschlechtersensible Auslegung sicherzustellen.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Probleme beim Schutz von Asylbewerberinnen von denjenigen der Männer unterscheiden. So können Frauen beispielsweise vor geschlechtsspezifischer Gewalt fliehen, sind jedoch oft nicht in der Lage oder bereit, relevante Informationen während eines Verfahrens zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus offenzulegen. Darüber hinaus sind alleinstehende Frauen häufig sexueller Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt und unfähig, sich zu schützen. Um die besonderen Probleme von Asylbewerberinnen zu regeln, sieht die Konvention die Verpflichtung vor, geschlechtersensible Asylverfahren, Richtlinien und Unterstützungsdienste einzuführen. Die Einführung einer Geschlechterperspektive in den Verfahren ermöglicht es, Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu berücksichtigen.

Eine weitere Bestimmung der Konvention bekräftigt die Verpflichtung, einen bewährten Grundsatz in Sachen Asyl und internationalem Flüchtlingsschutz zu respektieren: das Verbot der Zurückweisung. Die Konvention schreibt die Verpflichtung vor, sicherzustellen, dass schutzbedürftige Opfer von Gewalt gegen Frauen, unabhängig von ihrem Status oder Aufenthalt, nicht in ein Land zurückgewiesen werden, in dem ihr Leben gefährdet sein könnte oder in dem sie der Folter oder Strafen oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden könnten.

Nichtstaatliche Organisationen (NGOs)

In vielen Mitgliedstaaten wird die überwiegende Mehrheit der Dienste für Opfer häuslicher Gewalt und der Dienste für Opfer von sexueller Gewalt, Verfolgung, Zwangsheirat usw. von nichtstaatlichen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen geleitet. Diese Organisationen blicken zurück auf eine langjährige Tradition in den Bereichen Unterkünften, Rechtsberatung sowie medizinischer und psychologischer Beratung. Sie bieten ebenfalls Hotlines und andere wichtige Dienste an. Dennoch ist bei vielen dieser Dienste die Finanzierung ungewiss und sie sind auf kleineren geografischen Gebieten tätig. In den meisten Ländern entspricht die Gesamtzahl der verfügbaren Dienste nicht der Nachfrage seitens der Opfer, was häufig darauf zurückzuführen ist, dass die das Anbieten von Dienstleistungen nicht als Notwendigkeit, sondern als freiwillige Tätigkeit von NGOs angesehen wird.

Aus diesem Grund erkennt die Konvention die Arbeit der NGOs an und fordert mehr politische und finanzielle Unterstützung für sie. Einige ihrer Bestimmungen verpflichten die Parteien, die Arbeit der NGOs zu fördern und zu unterstützen, indem sie auf deren Fachwissen zurückgreifen, sie als Partner in die behördenübergreifende Zusammenarbeit einbeziehen und ihre Initiativen zur Sensibilisierung unterstützen. Dadurch können die Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt besser greifen. Indem man die NGOs und die zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt, trägt man dazu bei, ihre Arbeit zu optimieren, beispielsweise durch die Schaffung von Kooperationsstrukturen zwischen Ordnungskräften und Schutzunterkünften, durch eine verbesserte Bekanntmachung ihrer Hotlines und Dienste auf den staatlichen Informationskanälen, aber auch durch die Sicherstellung einer angemessenen öffentlichen und politischen Unterstützung. Die Konvention sieht auch die Verpflichtung der Parteien vor, ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen für die Aktivitäten der nichtstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Verfügung zu stellen.

Und schließlich sollen die NGOs ebenfalls eine Rolle bei der Überwachung der Umsetzung der Konvention spielen. Die mit der Überwachung beauftragte Expertengruppe kann zusätzlich zu den von der Vertragspartei selbst zur Verfügung gestellten Informationen auch Informationen von nichtstaatlichen Organisationen über die Umsetzung der Konvention durch eine Vertragspartei erhalten.

Kinder

Gewalt und körperlicher, sexueller oder psychischer Missbrauch haben schwerwiegende Folgen für Kinder. Sie rufen Angst hervor, verursachen Traumata und haben nachteilige Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, in ihren mittelbaren und unmittelbaren Formen, können gefährliche Folgen für ihre Gesundheit und ihr Leben haben. Im Fall von häuslicher Gewalt wird anerkannt, dass Kinder nicht direkt betroffen sein müssen, um als Opfer zu gelten, da das Miterleben von Gewalt genauso traumatisch ist.

Die Konvention befasst sich mit unterschiedlichen Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Opfer sind in der Regel Mädchen und Frauen jeden Alters. Aber auch Jungen und Männer können manchmal Opfer verschiedener Arten von Gewalt sein, die in den Anwendungsbereich der Konvention fallen, insbesondere häusliche Gewalt und Zwangsheirat. Aus diesem Grunde werden die Staaten aufgefordert, die Anwendung der von der Konvention befürworteten Maßnahmen auf Jungen und Männer auszuweiten.

Darüber hinaus beziehen sich mehrere Bestimmungen ausdrücklich auf Kinder. Sie fordern die Staaten auf, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Im Bereich der Prävention:

– Förderung und Durchführung von Kampagnen zur Bewusstseinsbildung über die unterschiedlichen Erscheinungsformen aller Arten von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und deren Auswirkungen auf Kinder.

– Entwicklung und Förderung, in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, der Fähigkeiten von Kindern, Eltern und Erziehern, gewalttätige und schädliche Inhalte in Kommunikationsbereichen entgegenzutreten.

– Sicherstellen, dass die Präventionsmaßnahmen die besonderen Bedürfnisse von Opfern im Kindesalter berücksichtigen.

  •  Im Bereich des Schutzes und der Unterstützung:

– Anbieten von spezialisierten Hilfsdiensten für Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, und deren Kinder. Bereitstellung sicherer Unterkünfte für die Frauen und ihre Kinder.

– Sicherstellen, dass die Rechte und Bedürfnisse von Kindern, die Zeugen von Gewalt wurden, bei Schutz- und Hilfsmaßnahmen für Opfer berücksichtigt werden.

– Sicherstellen, dass Fälle schwerer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bei den Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht berücksichtigt werden.

  • Im Bereich der Strafverfolgung:

– Ahndung der Handlung, die darin besteht, ein Kind vorsätzlich zur Heirat zu zwingen, oder das Kind in ein anderes Land zu verschleppen, um es dort zur Eheschließung zu zwingen.

– Sicherstellen, dass die Strafgesetzgebung die Anstiftung von Kindern zu Ehrenverbrechen erfasst.

– Sicherstellen, dass Opfer und Zeugen im Kindesalter in allen Phasen der Ermittlung und des Gerichtsprozesses besondere Schutzmaßnahmen erhalten.